Jakobsweg 2019 - Teil III
Donnerstag, 26.09. - von Genf nach Charly: Nach dem Frühstück gings mit der Straßenbahn an den Stadtrand nach Troinex/La Chapelle. Bei Compesieres überschritten wir, ganz unspektalulär, die Grenze nach Frankreich - doch irgendwie ein feierlicher Moment!
Über Neydens gelangten wir nach Beaumont, das wunderbar auf einem Hügel liegt und schöne Ausblicken zurück nach Genf bietet.
Ab Jussy geht man überwiegend auf Wald- und Feldwegen mit phantastischen Ausblicken zurück zum Genfersee und nach Süden in Richtung höherer Berge, dazwischen grüne Täler mit kleinen Ortschaften und im Osten der Mont Salève mit schroff abfallenden Felswänden. Schwierig ist in dieser Gegend nur, etwas zum Einkaufen zu finden - schließlich bekamen wir in einer Pension ein aufgewärmtes Fertiggericht: besser als gar nichts!
Die letzten Kilometer vor Charly boten Bilderbuchwetter und Bilderbuchlandschaft!
In Charly fanden wir Unterkunft in der "gîte communal", einer Pilgerherberge, die auf Selbstversorgerbasis von der Gemeinde angeboten wird. Sie ist einfachen, aber kompletten eingerichtet - einschließlich bescheidenener Essensvorräte! In Charly befindet sich zudem eine wunderbare gotische Jakobskirche.
Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt! (Alfred Delp)
Freitag, 27.09. - von Charly nach Frangy: Nach einem bescheidenen, selbst gemachten Frühstück gingen wir zunächst eineinhalb Stunden im Nebel, bevor die Sonne hervorkam und sich eine wunderbare Landschaft mit oftmaligen Ausblicken auf das Mont-Blanc-Massiv auftat!
Zwischen Contamin-Sarzin und Chaumont gelangten wir überraschend in die Formant-Schlucht, wo sich der gleichnamige Fluss tief in die Felsen eingeschnitten hat. Dann ging es wieder ziemlich steil hinauf nach Chaumont, wo wir aber weder ein Geschäft, noch ein offenes Gasthaus fanden. So wanderten wir auf Feld- und Waldwegen weiter nach Frangy, ein etwas größerer und belebterer Ort. Dort entdeckte ich, dass ich in Chaumont meinen Pilgerpass in der Kirche hatte liegen lassen! Die nette Dame von der Tourist-Info half mit aus der Patsche und organisierte es, dass jemand meinen P-Pass am Abend nach Frangy mitnahm und ich ihn am nächsten Tag in der Tourist-Info abholen konnte!!!
In der etwas rustikalen aber sauberen Herberge in einer "Auberge" (Landgasthaus) aßen wir am Abend ein vorzügliches Raclette - ein wunderbarer Abschluss dieses Tages.
Erkenntnis des Tages: so schön die einsamen und landschaftlich beeindruckenden Gegenden auch sind, man ist doch wieder froh, wenn man in die "Zivilisation" mit Geschäften und Gasthäusern kommt!
Verliere den Stern nicht aus den Augen, denn er führt zum Leben (P. Müller)
Samstag, 28.09. - von Frangy nach Seyssel: Nach dem Frühstück und nachdem ich meinen Pilgerpass in der Tourist-Info abgeholt habe (die nette Dame dort habe ich mit einem Mitbringsel aus der Konditorei verwöhnt), gings über die "grand pont", eine schöne alte Steinbrücke, hinaus aus Frangy und hinauf auf eine Anhöhe. Vorn dort hatten wir wunderbare Blicke zurück auf Frangy und Chaumont und immer wieder hinunter auf das Rhone-Tal.
Über Designy - mit einer markanten Kirche - erreichten wir La Praz; in der dortigen "Gîte d'Edelweiss" bekamen wir kein Quartier, weshalb wir hinunter nach Seyssel wanderten, ein nettes kleines Städtchen an der Rhone mit einer wunderbaren alten Brücke. Auch in der Stadt fanden wir kein Zimmer, sodass wir zu einem etwas außerhalb liegenden Campingplatz gingen und dort ein so genanntes "Mobile-home" mieteten: war ganz praktisch eingerichtet mit Koch- und Waschgelegenheit - Gott sei Dank war es nachts nicht wirklich kalt, weil die Wände ziemlich dünn sind!
Sonntag, 29.09. - von Seyssel nach Chanaz: Am Morgen gingen wir zurück in die Stadt Seyssel und frühstückten dort in einer Boulangerie (Bäckerei) - die hatte schon morgens geöffnet und vollen Betrieb! Wir wanderten zunächst der Rhone entlang, die in diesem Abschnitt relativ naturnahe ist mit Inseln im Fluss und vielen Wasservögeln. Bei der so genannte "Pont du Fier" gelangt man in das Departement Savoyen.
Immer im Wesentlichen entlang der Rhone erreichten wir Serrieres-en-Chautagne und gingen weiter neben einem Kanal mit unzähligen Fröschen (vermutlich werden die zum Essen "gezüchtet") und durch Aulandschaft mit schnurgeraden Schotterwegen (Inge sagt dazu "Rosenkranzstrecken", weil auf solchen Wegen zum Abschalten das Rosenkranzgebet hilfreich sein kann), am Spätnachmittag erreichten wir Chanaz. Unterwegs begeneten wir vier Tirolerinnen und Peter, einem Deutschen, die alle ebefalls Chanaz als Tagesziel hatten und im selben Quartier reserviert hatten!
Chanaz ist eine wunderbar gelegene kleine Stadt, geprägt von der Wasserlandschaft der Rhone, die hier in mehrere Arme ausufert. An diesem sehr warmen Sonntag waren zahlreiche Wochenend-Touristen unterwegs, es war ein fast südländisches Treiben.
Unser Nachtquartier hatten wir in einer netten Privatherberge, wo wir zusammen mit den vier Tirolerinnen, Peter und Michel (ein älterer Herr aus der Westschweiz) auch ein sehr leckeres Abendessen bekamen. Abends genossen wir noch das Flair dieser netten Stadt und die Sicht auf die wunderbare Wasserlandschaft an der Rhone!
Geh jeden Tag ein Stück weiter auf deinem Pilgerweg, sein offen wie der Himmel über dir und du bist auf dem richtigen Weg! (P. Müller)
Montag, 30.09. - von Chanaz nach Yenne: Nach einem wunderbaren Frühstück bei der "Gîte-Hausfrau" gings gleich rassig den Berg hinauf. Von oben gab es immer wieder beeindruckende Ausblicke auf das Tal der Rhone und die rechts und links aufsteigenden steilen Berghänge. Unterwegs trafen wir wieder die Mitpilger aus Österreich und der Schweiz und zwei Franzosen, die wir auch schon am Tag zuvor getroffen hatten. Die Landschaft war wunderbar: Weingärten, kleine Ortschaften, dann wieder steile Berghänge und weite Ausblicke ins Land.
Nach der Kapelle Saint-Romain ging der Weg steil hinunter und wir gelangten wieder ganz nahe an die Rhone. Schließlich erreichten wir Yenne, wo wir im ehemaligen Kapuzinerkloster, das jetzt als Bildungshaus betrieben wird, ein günstiges und feines Nachtquartier bekamen.
Gemeinsam mit den vier Tirolerinnen, mit Peter sowie mit Marianne und Alois einem Schweizer Ehepaar, die alle ebenfalls dort übernachteten, ließen wir uns das vorbereitete Nachtmahl schmecken und tauschten unsere Pilgererfahrungen aus.
Dienstag, 1.10.2019 - von Yenne nach St. Maurice de Rotherens/Le Mollard: Nach dem Frühstück marschierten wir wieder los und es ging gleich wieder steil hinauf auf einen Höhenzug östlich der Rhone, mit viel Buschwerk bewachsen, aber auch immer wieder mit wunderbaren Ausblicken auf den Fluss und die Berge. Oben trafen wir wieder die beiden Franzosen (einer hatte ziemliche Schmerzen an den Füßen wegen zahlreicher Blasen, er biss aber die Zähne zusammen und gab nicht auf!) und Michel, den Schweizer Senior. Inge ging mit den Schweizern ein schnelleres Tempo und ich glaubte schon, dass ich ohne Jause auskommen muss; bei einer Hütte wartete sie dann doch auf mich und wir ließen uns das Essen und das mitgebrachte Bier schmecken! In St. Maurice kehrten wir in einem netten kleinen Café ein und gingen dann weiter nach Le Mollard, wo wir wieder gemeinsam mit den Mitpilgern vom Vortag ein Quartier bei Patrick bekamen; eine etwas grenzwertige Angelegenheit: zwar praktisch und nett eingerichtet aber nicht ganz so sauber und die Betten und Decken "a wen'g miachtlat", wie man bei uns sagen würde! Wir kochten und aßen gemeinsam zu Abend und hatten trotzdem recht viel Spass!
Dein Pilgerweg ist ein Symbol für den Weg deines Lebens - manchmal mühsam und beschwerlich aber immer wieder unbeschreiblich schön!
Mittwoch 2.10. - von Le Mollard nach Les Abrets/Charancien: Nach dem selbst gemachten Frühstück wanderten wir - zuerst alle neun gemeinsam - nach St. Genix, dort gabs einen guten Kaffee im Kaffehaus mit Süßem aus der boulangerie daneben (die Mehlspeis' holt man sich in der Bäckerei und isst sie im daneben befindlichen Kaffehaus zum Kaffee). An diesem Tag gabs immer wieder einige Regenschauer - der einzige Tag in den ganzen drei Wochen an dem es wirklich mehr geregnet hat!
In dieser Gegend sind zahlreiche Häuser außen unverputzt und haben bräunlich-graue Mauern aus Lehm; aber teilweise sind sie wieder recht hübsch mit Blumen geschmückt, die im Kontrast zu den Mauern umso schöner hervorstechen.
In Les Abrets, einem etwas größeren und belebteren Ort kehrten wir auf ein Bier ein trafen dort wieder die vier Damen aus Tirol mit Marianne und Alois. Die Übernachtung hatten wir alle ca. drei Kilometer von Les Abrets, in Charancieu reserviert, sodass wir noch einen Weg vor uns hatten; es regnete aber nicht mehr und das letzte Wegstück war auch landschaftlich recht ansprechend - eine sanft-hügelige Gegend, landwirtschaftlich geprägt mit vielen Wiesen und Kühen auf der Weide.
Der Aufenthalt bei Florentine und Alain was wirklich ein Erlebnis: Florentine stammt aus Madagaskar und Alain war vor der Pension Ingenieur in der Atomwirtschaft bis er - wie er erzählte - draufkam, dass "das nicht gut für ihn und für die Menschheit ist" und er Physikprofessor in einer höheren Schule wurde. Beide sind sehr offene, herzliche Menschen, die uns köstlich bewirteten und uns - wir waren insgesamt 10 Leute! - beinahe das ganze Haus zur Verfügung stellten!
Alain erzählte witzig die Geschichte, wie er Florentine kennelernte und sehr berührend über seine harte Kindheit und Jugend. Wir - die zehn Piler und Pilgerinnen aus drei Ländern - hatten zusammen noch ziemlich viel Gaudi!
Donnerstag, 03.10. und Freitag 04.10 - von Les Abrets/Charancien über Chambéry nach Genf und am Freitag von Genf mit dem Zug zurück nach Hause:
Wunderbares Frühstück bei Florentine und Alain mit allen Mitpilger/innen und dann Abschied von allen - wir sind schöne Wege miteinander gegangen, haben miteinander diskutiert und gelacht, aber auch die schönste Zeit geht zu Ende - Servus Peter, Servus Michel, Servus Marianne und Alois, Servus Traudi und Marie-Luise, Anni und Anna .....Gottes Segen auf allen euren Wegen, ULTREIA!
Au revoir Florentine und Alain - wir kommen nächstes Jahr wieder!
Wir gingen die paar Kilometer zurück nach Les Abrets, wo wir auf einem gar nicht so kleinen Markt stießen und wegen unserer Rucksäcke angesprochen wurden: "....auf dem chemin de Saint Jaques (Jakobsweg),....wie lange, wo wegegangen usw.?......"bei unseren geringen Kenntnissen des Französischen waren Antworten auf diese Fragen eine ziemliche Herausforderung!
Schließlich marschierten wir zum Bahnhof und fuhren mit dem Bus durch eine beeindruckende bergige Landschaft, vorbei am pittoresken Lac Aiguebellette nach Chambéry. Das ist eine mittelgroße Stadt mit einem schönen alten Zentrum und wir flanierten noch ein wenig durch die Stadt und aßen crêpes in einem Park bei einem clownesken Crêpes-Koch, die eine richtige Show abzog!
Dann gings mit dem Zug vorbei am Lac Bourget - ein großer, wunderschön gelegener See - über Seyssel und Bellegarde-sur-Valserine nach Genf. Dort nächtigten wir noch einmal im selben Hostel in Bahnhofsnähe.
Wer über sich selbst hinausgehen will, muss in sich selbst hinabsteigen (Tibetische Weisheit)
Freitag 4.10. - mit dem Zug von Genf zurück nach Hause!
Wir hatten vormittags noch Zeit, uns die Stadt etwas näher anzuschauen, besuchten das Museum der Reformation (wo u.a. zu sehen war, dass Religion leider immer wieder auch Grund oder Vorwand für gewalttätige Auseinandersetzungen war) und stiegen auf den Turm des Domes mit wunderbarem Blick über die Stadt, den See und die umgebenden Berge.
Die Fahrt mit dem Zug entlang des Genfer Sees war wunderbar: Hänge mit Weingärten und dahinter der riesengroße See und die Berge!
Dann fuhren wir durch hügeliges Bauernland über Fribourg und Bern nach Zürich. Dort half uns ein "Engel" (in Gestalt eines Eisenbahners), dass wir gerade noch den Railjet nach Linz erreichten. Irgendwie eigenartig wenn man aus dem Zug schaut und immer wieder Gegenden erblickt, wo man Tage zuvor (oder im Vorjahr!) zu Fuß unterwegs war!
Kurz vor Mitternacht erreichten wir Linz - unsere Tochter Judith holte uns ab: das Haus stand noch, unser jugendlicher Kater war ein Stück gewachsen......alles o.k.!
Also dann: Bis zur Fortsetzung im nächsten Jahr - ULTREIA!!!
Der Camino erinnert ständig daran: Genieße, was du gerade bekommst, aber häng dein Herz nicht daran! (A Löhndorf)
[lk]